„Unsere Gesellschaft hat Schwierigkeiten mit der Intuition“, hat Prof. Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin die Problematik seines Forschungsthemas zusammengefasst.

Als Redner beim Abendvortrag des Xlab-Science-Festivals sprach Gigerenzer über „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unterbewussten“. Schon ein viel positiverer Tenor.

Den sollte das überwiegend junge Publikum in der dicht besetzten Aula der Universitä als roten Faden im Vortrag immer wieder spüren. „Intelligenz stellen wir uns als bewusste Tätigkeit vor“, erläuterte Gigerenzer ein übliches negatives Denkschema. Und noch so ein Problem: die „unglückselige Verknüpfung der Intuition mit Frauen“. Die spuke, so der Redner, leider noch immer in vielen Köpfen rum, auch in Deutschland.

Mit zahlreichen anschaulichen Beispielen aus Medizin, Sport und Wirtschaft belegte der 1947 geborene Psychologe, dass unterbewusste Entscheidungen in vielen Fällen deutlich bessere Lösungen ermöglichen als rationales Denken. Denn viele rationale Lösungsmodelle hätten ein Problem: Die in meist großer Fülle benötigten Daten und Informationen liegen nicht oder nur unvollständig vor. Wer hat schon zur Fütterung des nobelpreisdotierten Modells zu optimalen Anlagestrategie die benötigten Daten aus 500 Jahren Börse – und das mit gleichbleibenden Aktien unter gleichbleibenden Randbedingungen?

Ein Charakteristikum von intuitiven Entscheidungen, ist dass man die Entscheidung nicht begründen kann. Das macht sich, gerade wenn es um schwerwiegende Entscheidungen geht, meist in der Außendarstellung nicht gut. Daher wird dann gerne die zweitbeste Lösung genommen, nur weil sie sich sie besser begründen lässt. Vorteil solcher defensiven Entscheidungen: Die Verantwortung der entscheidenden Person wird geringer, man ist schlechter haftbar zu machen. Und daher ist der Weg so verführerisch, auch wenn die Bauchentscheidung am Ende das bessere Ergebnis gebracht hätte.
„Weniger ist mehr“ – das sei die Macht der Intuition, so Gigerenzer. Oder anders ausgedrückt: die Kunst, mit begrenztem Wissen in knapper Zeit eine möglichst gute Entscheidung zu treffen, auch bekannt als Heuristik. Heuristiken wendet man im Alltag immer wieder und meist sehr erfolgreich an. Ihre Einfachheit schafft nicht nur gute Lösungen, sondern auch Transparenz. Warum also nicht auch bei komplexeren Problemen, wo erst recht nicht alle Informationen bekannt sind und wo meist die Zeit drängt, heuristisch entscheiden? Für mehr Mut zur Intuition und damit auch zur Verantwortung plädierte daher Gigerenzer. Entscheidend sei ein ausgewogener Mix aus rationalen Entscheidungen, da wo sie möglich, und intuitiven Entscheidungen, wo sie sinnvoll seien.

Von Gerd Gigerenzer gibt es ein Buch zum Thema: „Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“, Verlag Goldmann, München 2008, 284 Seiten, 8,95 Euro.

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