Über den eigenen Tellerrand hinausblicken: Kaum ein Rat ist so häufig zu hören, wenn kreative Ideen und Lösungen gesucht sind. Dabei ist fast nichts so schwierig – weil das Hirn die meiste Zeit unseres Lebens im eigenen Saft schmort.

Im Blog des Harvard Business Manager widmet sich Michael Hengl möglichen Auswegen aus dem Gefängnis des eigenen Geistes. Das Perfide an der Geschichte – uns ist gar nicht bewusst, dass wir eingekerkert sind. Dabei ist es eigentlich logisch: Das Gehirn greift auf das zurück, was es aus den Erfahrungen seines Eigentümers kennt. Es kann Erinnerungen an Erlebtes vielleicht geschickt verknüpfen, aber etwas ihm selbst Unbekanntes schaffen kann es nicht.

Der Unternehmensberater erklärt es anhand eines bekannten Beispiels aus der Tierwelt: Warum reicht es, einen zahmen indischen Elefanten mit einer dünnen Schnur an ein windiges Bäumchen zu binden, damit das tonnenschwere Tier kreuzbrav stehen bleibt? Weil es von Geburt an nichts anderes kennt als angeleint zu sein.

Anleitung zur mentalen Gefängnisrevolte: kollektive Kreativität

Laut Michael Hengl gibt es nur zwei Möglichkeiten, die hinderlichen kognitiven Sperren zu zerschlagen:

  1. unerwartete, mit starken Emotionen verbundene Ereignisse (Ein Feuer bedroht den Elefanten, bei der panischen Flucht reißt die Schnur, der Ausweg findet sich durch Zufall …)
  2. durch Vorbilder (Ein schlecht trainiertes Tier stiftet den Musterelefanten an …)

Zweifelsohne der weniger schmerzhafte Weg zu Innovation und kreativen Lösungen ist es, sich von anderen Menschen animieren zu lassen. 99 Prozent aller Ideen, die schon irgendwo existieren, schreibt Hengl, warten nur darauf, dass sie jemand zu einer adäquaten Problemlösung verknüpft. Wo Menschen mit verschiedenen Lebenserfahrungen aufeinandertreffen, ist diese Chance am größten.

Doch kollektive Kreativität ist kein Zuckerschlecken. Die Gesinnungen anderer zu tolerieren, ist einfacher gesagt als getan – hier prallen oft Welten aufeinander, und das ist mächtig anstrengend.

Eine Methode, welche die Konfrontation mit möglichst vielen unterschiedlichen Ansätzen geradezu zelebriert, ist das World Cafe. Im Nachwort zum gleichnamigen Buch beschreibt Peter Senge die Methode als das für ihn zuverlässigste Verfahren, um kollektive Kreativität sichtbar werden zu lassen. Wie sich gemeinschaftliche Kreativarbeit organisieren lässt und was es zum Erfolg braucht, beschreibt Ed Catmull in einem weiteren HBM-Artikel en detail anhand des berühmten Trickfilmstudios Pixar.

Einträchtig zum Stillstand, zankend zum Geistesblitz

In einem sind sich alle Experten für die kollektive Suche nach neuen Lösungen einig: Co-Kreation erfordert ein gutes Maß an Konfliktfähigkeit. Michael Hengl ist überzeugt: Wo Konfliktfähigkeit als persönliche Kompetenz und Teil der Unternehmenskultur vernachlässigt wird, gehen Chancen verloren. Sich die Grundlagen des Konfliktmanagements anzueignen ist aber zum Glück kein Hexenwerk.

Und dann heißt es nur noch dranbleiben – ein wenig Ausdauer ist angesagt, weil das menschliche Gehirn zunächst das Vertraute dem Fremden vorzieht. Bringt ein durchgestandener Konflikt aber neue Erkenntnisse, so belohnt es seinen Träger für neue Erkenntnisse gern mit wunderbaren Glücksgefühlen.

 

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